
Interview mit Eden Yemane (Schlüsselperson)
Mit wie vielen Personen aus Ihrem Netzwerk haben Sie als Schlüsselperson monatlich ungefähr zu tun?
«Jeden Monat stehe ich mit etwa zehn verschiedenen Personen in Kontakt, die meine Unterstützung benötigen.»
Was sind aktuell Ihre häufigsten Tätigkeiten als freiwillig engagierte Schlüsselperson?
«Hauptsächlich lese und übersetze ich Briefe von Behörden für meine Landsleute. Ich erkläre den Inhalt, beantworte ihre Fragen und bespreche mit ihnen, welche nächsten Schritte sie unternehmen können.»
Wieso machen Sie mit im Verein Netzwerk Schlüsselpersonen?
«Ich bin nicht in der Schweiz geboren, sondern musste mit neun Jahren aus Eritrea fliehen. Durch den Familiennachzug kam ich zu meinem Vater in die Schweiz – ein Vater, der selbst kaum Deutsch sprach und bis heute Schwierigkeiten damit hat. Schon als Kind war es für meine Schwester und mich selbstverständlich, Briefe zu übersetzen, Formulare auszufüllen und unsere Eltern zu Terminen zu begleiten – sei es zum Arzt oder zu Behörden. Damals dachte ich, das sei einfach unsere Aufgabe. Erst später wurde mir bewusst, dass es vielen Familien genauso geht. Wer die Sprache nicht beherrscht, ist im Alltag oft hilflos und fühlt sich verloren. Ich weiss, wie schwer es sein kann. Auch ich hatte grosse Probleme in der Schule, weil ich anfangs kein Wort verstand. Warum ich mich als Schlüsselperson engagiere? Weil ich weiss, wie es sich anfühlt, nicht verstanden zu werden. Ich möchte meinen Landsleuten helfen, sich in der Schweiz zurechtzufinden, und ihnen zeigen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind.»
Was sind aktuell Ihre grössten Herausforderungen als Schlüsselperson?
«Die grösste Herausforderung für mich ist es, klare Grenzen zu setzen. Oft merke ich, dass ich nicht nur helfe, sondern die Probleme anderer übernehme.»
Was würden Sie sich am meisten wünschen für die Menschen, die aus dem Ausland in die Schweiz kommen?
«Ich wünsche mir, dass Menschen aus dem Ausland die Bereitschaft mitbringen, Hilfe anzunehmen und daraus zu lernen.»

Interview mit Pathma Mathivannan (Schlüsselperson)
Kurz zu dir, was sind deine Sprachgruppen und mit wie vielen Personen hast du als Schlüsselperson ungefähr zu tun?
«Meine Sprachgruppen sind Tamilisch und Singalesisch. Monatlich habe ich sicher mit 10 Personen als Schlüsselperson zu tun, aber das kann auch variieren: manchmal sind es mehr, manchmal weniger.»
Wieso findest du es wichtig, dass es Schlüsselpersonen gibt?
«Ich finde es wichtig, dass sich Menschen, die vielleicht eben nicht muttersprachlich Deutsch sind, auch eine vertrauenswürdige Ansprechperson haben, die ihnen in verschiedensten Dingen weiterhelfen kann. Es verbindet, es sorgt für ein Zugehörigkeitsgefühl und sorgt für einen gesunden Austausch, was vor allem in Zeiten von Corona sehr hilfreich sein kann.»
Hast du deine Rolle im 2020 als wichtig empfunden?
«Ja, auf jeden Fall. Ich arbeite hauptberuflich im gesundheitlichen Bereich und bin es mir gewohnt, dass Menschen auf mich angewiesen sind. Den Leuten ihre brennenden Fragen zu Corona zu beantworten, oder auch schon nur jemandem Gesellschaft zu leisten und die dazu nötigen Mittel zu haben, empfand ich als eine sehr wichtige, aber auch schöne Rolle. Man lernt auch viel über sich selber.»
Was waren die Hauptthemen?
«Oftmals natürlich die Konsequenzen von Corona, wie z. B. Kurzarbeit, Versicherungsangelegenheiten, usw. Aber auch Themen wie Alkohol, Einbürgerung in der Schweiz, gesundheitliche Themen, Fragen zur Schule, …»

Interview mit Michèle Anthony (Integrationsbeauftragte & Vorstandsmitglied)
Was sind Ihre Aufgaben?
«Ich plane und organisiere zusammen mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Vereinsarbeit des Netzwerks Schlüsselpersonen. Wir beraten und fällen gemeinsam Entscheide und sind verantwortlich für den sinnvollen Einsatz der finanziellen Mittel des Vereins. Ich versuche, eine Brücke zu bauen von der Gemeinde zur Migrationsbevölkerung, indem ich Informationen weiterleite. Auch suche ich neue Schlüsselpersonen, die sich im Netzwerk engagieren können.»
Was nützt es einer Gemeinde, Teil vom Netzwerk zu sein?
«Unsere Gemeinde kann Informationen via Geschäftsleitung den Schlüsselpersonen zukommen lassen. Diese wiederum verteilen sie in ihre Kulturgruppen und unterstützen uns somit, die Informationen adressatengerecht an die Zielgruppe zu bringen und somit deren Integrationsprozess zu unterstützen. Auch kann die Gemeinde Bedürfnisse der Migrantinnen und Migranten abholen und so allenfalls neue Angebote lancieren.»
Erzählen Sie uns ein konkretes Beispiel.
«Wir führen in Derendingen einen Deutschkurs für Eltern durch, der an die Schulzeiten der Kinder angepasst ist und einen Kinderhort hat. Den Flyer konnte ich Jano Jacusso, dem Geschäftsleiter, abgeben und er hat ihn am monatlichen Treffen den Schlüsselpersonen weitergeleitet. Die Schlüsselpersonen wiederum konnten dann ihre Kulturgruppe entsprechend über das Angebot informieren, zur Kursanmeldung motivieren und Fragen entgegennehmen.»
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Vereins?
«Ich wünsche mir, dass der Verein weiterwachsen kann: Alle umliegenden Gemeinden der Stadt Solothurn sollen mitwirken, denn die Integration hält nicht an den Dorfgrenzen. Es wäre auch toll, wenn wir noch mehr Schlüsselpersonen finden könnten. Die Schlüsselpersonen sollen für ihre wertvolle Arbeit eine möglichst grosse Wertschätzung bekommen. Sie unterstützen die Migrantinnen und Migranten wesentlich beim Integrationsprozess. Herzlichen Dank dafür auch auf diesem Weg!»

Interview mit Jano Jacusso (Leitung Geschäftsstelle)
Was sind Ihre Aufgaben?
«Meine Arbeit umfasst hauptsächlich zwei Bereiche: Einerseits bin ich zuständig für die allgemeinen Vereinsaufgaben, dazu gehört die Umsetzung der Entscheidungen des Vorstands. Andererseits arbeite ich direkt mit den Schlüsselpersonen zusammen. Das heisst, ich sammle alle integrationsrelevanten Informationen für die Schlüsselpersonen, um sie an den monatlichen Treffen weiterzugeben. Gleichzeitig bin ich ständige Ansprechperson für alle Schlüsselpersonen, wenn Fragen oder Bedürfnisse bei Personen aus ihren Communities aufkommen. Das heisst, ich begleite und unterstütze die Schlüsselpersonen in ihrem Engagement.»
Was für Bedürfnisse können das sein?
«Es kann sein, dass sich eine Schlüsselperson bei mir meldet, weil jemand aus dem Netzwerk eine Information braucht, zum Beispiel zum Thema Familiennachzug. Oder aber, jemand benötigt dringend eine Beratung infolge eines gewalttätigen Konflikts. Aber es gibt auch Bedürfnisse von Gruppen, etwa nach Räumlichkeiten oder nach Material für ein ganz bestimmtes Projekt. Das ist der grosse Vorteil unseres Netzwerkes, wir reagieren auf Bedürfnisse und arbeiten nicht an den Menschen vorbei, sondern mit ihnen zusammen. Das Brückenbauen ist nie einseitig, es geschieht in beide Richtungen.»
Wie meinen Sie das?
«Es gibt immer wieder die Situation, dass ein neues Projekt umgesetzt werden soll, zum Beispiel im Alten Spital Solothurn. Dann werden die Schlüsselpersonen gebeten, dies vorher in ihren Communities und Netzwerken zu besprechen. Dabei erfahren sie, ob die Idee auf Anklang stösst oder nicht und was allenfalls geändert werden müsste. Wir bauen Brücken zwischen Organisationen und den Communities. Hin und zurück. Ohne Schlüsselpersonen wäre der Kontakt in dieser Grössenordnung nicht vorhanden.»
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Vereins?
«Ich wünsche mir ganz allgemein, dass die Schweiz Menschen aus dem Ausland herzlich und offen empfängt und ihnen hier die bestmöglichen Chancen gibt. Wenn wir dies mit unserem Verein und dem Wachstum unseres Netzwerkes unterstützen können, dann bin ich sehr glücklich.»

Interview mit Vanathy Nagevaran (Person aus der tamilischen Community)
Erzählen Sie uns kurz etwas zu Ihnen
«Ich heiße Vanathy Nagevaran. Meine Heimat ist Jaffna in Sri Lanka. Seit zwanzig Jahren lebe ich in der Schweiz mit meinem Mann und zwei Kindern in Bettlach.»
Woher kennen Sie die Schlüsselperson Thayamathi Manichelvan?
«Vor zwei Jahren besuchte ich mit meinen Kindern die Leseanimation Schenk mir eine Geschichte. Dort habe ich Thaya kennengelernt. Mein Mann und Thayas Mann sind befreundet. So sind wir häufig in Kontakt. Thaya berichtet mir von den Aktivitäten, wo ich mit den Kindern teilnehmen kann.»
Bei welchen Themen unterstützt Sie Thayamathi Manichelvan? «Thaya unterstützt bei Kursen für Frauen, bei Fragen oder auch Problemen. Ich kann ihr telefonieren und Sie sagt mir, wo ich Hilfe holen kann.»
Können Sie ein konkretes Beispiel erzählen wo Ihnen Thayamathi Manichelvan sehr geholfen hat? «Thaya hat mich auf den Schwimmkurs für Frauen aufmerksam gemacht. Oder sie begleitet mich zum Beispiel zum Arzt.»